Was gilt, wenn der Kostenvoranschlag teurer wird als geplant?
Ein Kostenvoranschlag gibt Kundinnen und Kunden erste Orientierung über den Preis eines Projekts. Doch was passiert, wenn die tatsächlichen Kosten höher ausfallen? Selbständige stehen dann schnell vor rechtlichen und finanziellen Fragen. Hier erfahren Sie, wann Abweichungen erlaubt sind, welche Pflichten Sie bei Preisüberschreitungen haben und wie Sie Konflikte von Anfang an vermeiden.
Artikelübersicht:
Was unterscheidet einen Kostenvoranschlag von einem Angebot?
Was muss ein Kostenvoranschlag enthalten?
Wann ist ein Kostenvoranschlag verbindlich?
Wie stark darf der Endpreis vom Kostenvoranschlag abweichen?
Wie schützt eine Berufshaftpflicht vor Risiken bei Kostenvoranschlägen?
Wie vermeiden Sie Streit und Kostenfallen beim Kostenvoranschlag?
Was unterscheidet einen Kostenvoranschlag von einem Angebot?
Ein Kostenvoranschlag unterscheidet sich rechtlich von einem Angebot. Es handelt sich um eine unverbindliche Schätzung der voraussichtlichen Kosten. Er soll der Auftraggeberin oder dem Auftraggeber helfen, den Aufwand eines Projekts einzuschätzen. Ein Angebot dagegen ist verbindlich: Wird es angenommen, entsteht ein Vertrag mit festgelegtem Preis.
| Kostenvoranschlag | Angebot | |
|---|---|---|
| Verbindlichkeit | Unverbindliche Einschätzung | Verbindlich nach Annahme |
| Preisänderungen | Möglich, wenn die Kosten steigen (Information an die Kundschaft) | Keine Preisänderung ohne neue Vereinbarung |
| Ziel | Orientierung für Kundinnen und Kunden | Abschluss eines Vertrags |
| Rechtsgrundlage |
Artikel 375 OR |
Artikel 363-379 OR |
Formulieren Sie in Ihren Unterlagen immer eindeutig, ob es sich um ein Angebot oder einen Kostenvoranschlag handelt. So vermeiden Sie Missverständnisse und spätere Diskussionen über den Preis.
Was muss ein Kostenvoranschlag enthalten?
Ein Kostenvoranschlag ist nur hilfreich, wenn er alle wesentlichen Informationen klar und nachvollziehbar enthält. Zwar gibt es keine gesetzliche Pflicht zur bestimmten Form oder zu festen Inhalten, doch einige Punkte sollten immer enthalten sein, um Missverständnisse zu vermeiden:
- Leistungsbeschreibung: Welche Arbeiten oder Dienstleistungen sind geplant?
- Material- und Arbeitskosten: Einzelpositionen mit Mengenangaben und Stundensätzen.
- Gesamtkosten (netto und brutto): Transparente Aufstellung inklusive Hinweis auf die Mehrwertsteuer.
- Zeitplan oder voraussichtliche Dauer: Wann kann der Auftrag ausgeführt werden?
- Gültigkeitsdauer: Bis wann gilt der Kostenvoranschlag?
- Hinweis auf Unverbindlichkeit: zum Beispiel „Preisangaben sind unverbindlich, Änderungen vorbehalten“.
- Datum und Unterschrift: insbesondere bei handwerklichen Leistungen empfehlenswert.
Formulieren Sie den Hinweis auf die Unverbindlichkeit sichtbar, zum Beispiel direkt unter der Gesamtsumme. So ist für Auftraggeber klar, dass es sich um eine Schätzung handelt, und Sie vermeiden Diskussionen, wenn sich während des Projekts die Kosten ändern.
Worauf es bei einem Angebotsschreiben ankommt, lesen Sie im Artikel Angebot richtig schreiben – so überzeugen Sie potenzielle Kundschaft.
Wann ist ein Kostenvoranschlag verbindlich?
Ein Kostenvoranschlag ist grundsätzlich unverbindlich. Es handelt sich um nur eine Schätzung der voraussichtlichen Kosten und verpflichtet Sie nicht automatisch, die Arbeit genau zu diesem Preis auszuführen. Das Obligationenrecht (OR) unterscheidet zwischen einer verbindlichen Preisabrede und einer ungefähren Preisangabe (Kostenvoranschlag).
1. Verbindlich durch ausdrückliche Vereinbarung
Wird im Vertrag oder in der Kommunikation ausdrücklich festgehalten, dass der Kostenvoranschlag „verbindlich“ ist, „nicht überschritten werden darf“ oder als Fixpreis gilt, handelt es sich rechtlich um eine verbindliche Offerte. Überschreiten Sie den vereinbarten Preis, kann das zu Schadenersatzforderungen führen, wenn Ihre Auftraggeberin oder Ihr Auftraggeber dadurch einen finanziellen Schaden erleidet.
2. Verbindlich nur ausnahmsweise durch Auslegung des Einzelfalls
Ohne klare Formulierung wird ein Kostenvoranschlag in der Schweiz in der Regel als ungefähre Preisangabe verstanden und ist damit unverbindlich. Nur in besonderen Einzelfällen kann er durch Auslegung als verbindlich gewertet werden, zum Beispiel wenn…
… der Preis sehr präzise und detailliert kalkuliert ist,
… die Kundschaft nach den Umständen davon ausgehen durfte, dass der Preis fix ist, oder
… Sie mehrfach zugesichert haben, dass „keine Mehrkosten entstehen“.
In solchen Konstellationen kann ein Gericht zum Schluss kommen, dass faktisch eine verbindliche Offerte vereinbart wurde.
3. Wann bleibt ein Kostenvoranschlag unverbindlich?
Fehlt eine eindeutige Vereinbarung, bleibt der Kostenvoranschlag unverbindlich. Der endgültige Preis richtet sich dann nach dem effektiven Aufwand und den notwendigen Kosten. Sie dürfen den Preis erhöhen, wenn sich die Kalkulation ändert – etwa durch höhere Materialkosten, gestiegene Löhne, zusätzliche Arbeiten oder unvorhergesehene Umstände.
Zeichnet sich jedoch eine erhebliche Überschreitung ab, sind Sie verpflichtet, Ihre Kundinnen und Kunden umgehend zu informieren. Unterlassen Sie diese Mitteilung, riskieren Sie, dass der Mehrpreis nicht durchsetzbar ist oder Streit über die Rechnung entsteht.
Wie stark darf der Endpreis vom Kostenvoranschlag abweichen?
Der endgültige Preis eines Kostenvoranschlags darf nicht beliebig abweichen. Die Rechtsprechung sieht Preisüberschreitungen von rund 10 % als noch angemessen an, sofern es sich um eine ungefähre Preisangabe handelt. Wie hoch die Toleranz im Einzelfall ist, hängt von der Art des Auftrags, der Kalkulationsgrundlage und den Umständen während der Ausführung ab.
Was tun sie, wenn der Endpreis stark abweicht?
Übersteigt der endgültige Preis den Kostenvoranschlag um ein Vielfaches, müssen Sie unverzüglich handeln:
1. Behalten Sie während des Projekts den Überblick über Zeit, Material und Zusatzaufwand. Je früher Sie merken, dass die Kalkulation wackelt, desto besser können Sie reagieren.
2. Informieren Sie Ihre Kundschaft, sobald sich abzeichnet, dass Sie den Preis nicht halten können. Halten Sie jede Mitteilung zur Preisänderung schriftlich fest. Das funktioniert zum Beispiel per E-Mail mit kurzer Begründung und neuer Kalkulationsübersicht. So können Sie später nachweisen, dass Sie Ihrer Informationspflicht nachgekommen sind.
3. Bitten Sie Auftraggeberin oder Auftraggeber, die geänderte Kalkulation zu bestätigen. Die Bestellerin oder der Besteller kann gemäss Artikel 377 OR vom Vertrag zurücktreten, muss aber den bereits geleisteten Teil vergüten.
4. Selbst wenn Ihr Gegenüber verärgert reagiert: Bleiben Sie ruhig, erklären Sie die Situation sachlich und verweisen Sie auf die ursprüngliche Unverbindlichkeit des Kostenvoranschlags.
Unterlassen Sie diese Mitteilung, kann Ihre Auftraggeberin oder Ihr Auftraggeber den Vertrag kündigen oder Schadenersatz geltend machen, wenn durch die Preisüberschreitung ein finanzieller Nachteil entsteht. Eine klare Kommunikation schützt zudem vor Missverständnissen und sorgt für ein vertrauensvolles Vertragsverhältnis.

Wann ist eine Preisabweichung zulässig?
Eine Überschreitung kann gerechtfertigt sein, wenn…
…sich Material- oder Beschaffungspreise unerwartet erhöhen,
…zusätzliche Arbeiten beauftragt oder Leistungsänderungen notwendig werden
…oder unvorhersehbare Umstände eintreten, die bei Erstellung des Kostenvoranschlags nicht bekannt waren.
Am Ende ist ausschlaggebend, ob es sich um eine ungefähre Preisangabe (Art. 374 OR) oder um eine Preisgarantie handelt.
Wie schützt eine Berufshaftpflicht vor Risiken bei Kostenvoranschlägen?
Manchmal läuft ein Projekt anders als geplant. Eine zu hohe Preisüberschreitung und Missverständnisse über die Kalkulationsbasis können schnell teuer werden – etwa wenn Ihre Kundschaft dadurch einen finanziellen Schaden erleidet.
Hier schützt eine Berufshaftpflichtversicherung über exali zuverlässig vor den finanziellen Folgen. Kommt es wegen einer Kostenüberschreitung oder falschen Beratung zu Schadenersatzforderungen prüft der Versicherer zunächst, ob die Forderung überhaupt berechtigt ist:
- Berechtigte Ansprüche werden übernommen, etwa für entstandene finanzielle Schäden.
- Unberechtigte Ansprüche werden auf Kosten des Versicherers abgewehrt (sogenannter passiver Rechtsschutz).
Wie vermeiden Sie Streit und Kostenfallen beim Kostenvoranschlag?
Ein Kostenvoranschlag schafft Vertrauen. Das funktioniert aber nur, wenn Sie ihn realistisch kalkulieren und offen kommunizieren, sobald sich Änderungen abzeichnen. Behalten Sie Ihre Projekte genau im Blick, informieren Sie Ihre Kundschaft frühzeitig und dokumentieren Sie jede Abweichung schriftlich. So vermeiden Sie Konflikte und rechtliche Risiken.
Vivien Gebhardt ist Onlineredakteurin bei exali. Hier erstellt sie Content zu Themen, die Selbständigen, Freiberuflern und Unternehmern unter den Nägeln brennen. Ihre Spezialgebiete sind Risiken im E-Commerce, Rechtsthemen und Schadenfälle, die bei exali versicherten Freelancern passiert sind.



